Zu (Re)konstruierende Körper

Das Ziel dieses Workshops ist es, den Begriff „Körper” in Bezug auf die spezifischen Herausforderungen, mit denen das leidende Subjekt konfrontiert ist, zu thematisieren. Den Ausgangspunkt hierfür bildet die Annahme, dass sich im Leiden und der Unmög-lichkeit seiner vollständigen sprachlichen Vermittlung die enge Verbindung zwischen Körper und Sprache zeigt. Sie verweist auf die Notwendigkeit, diese beide Sphären zusammen zu denken. Wir laden Vertreter*innen philosophischer, psychoanalytischer, politik- und sozialwissenschaftlicher sowie künstlerischer Perspektiven zu einem zwei-tägigen Workshop an der École normale supérieure (Paris) ein, um uns gemeinsam mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Veranstaltung wird am 1. und 2. Oktober 2021 stattfinden.

Die Fragestellungen, an denen sich das Kolloquium orientiert, spiegeln sich im Veran-staltungstitel wider:  

  1. Den Körper zu (re)konstruieren impliziert zunächst, dass der hier gemeinte Körper etwas ist, das es noch zu gestalten gilt. So begreifen wir ihn einerseits als fragmen-tarisch, oder gar zerstückelt – als einen leidenden Körper, der von den Prüfungen, die er erlitten hat, gezeichnet ist. Andererseits verstehen wir ihn, gerade wegen seiner Unabgeschlossenheit, als einen möglichen Ort von Transformation und Wi-derstand.
  2. Den Körper zu (re)konstruieren impliziert weiterhin eine zeitliche Dimension im Sinne einer Bezugnahme auf das Vergangene, das sich in den Körper eingeschrie-ben hat. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Vergangenheit des Körpers als reine Gegebenheit angenommen werden darf.  
  3. Denn der Körper, den es zu (re)konstruieren gilt, fordert uns dazu auf, die Vorstel-lung eines unmittelbar zugänglichen Körpers zu hinterfragen. Unser Interesse gilt der Konzeptualisierung des Körpers als durch Sprache strukturierte und vermittelte Alterität.

Diese drei Perspektiven erlauben es, die Vielfalt des Begriffs Konstruktion aufzu-schlüsseln. Sie gestatten die Dekonstruktion der Möglichkeit vollständiger Rekon-struktion des im Leiden mit seiner potentiellen Zerstörung konfrontierten Körpers. An-gesichts der aus der Sprache hervorgehenden Alterität muss das leidende Subjekt bei dem Versuch scheitern, seinen Zustand, gegenwärtig oder vergangen, körperlich oder psychisch, adäquat zu beschreiben. Diese Unfähigkeit des leidenden Subjekts zu einer vollständigen und unmittelbaren Beschreibung oder einer linearen Erzählung der Prü-fungen eines singulären Körpers erlaubt es uns, unser ethisches und soziales For-schungsfeld zu öffnen. Die Unmöglichkeit dient uns so als Ausgangspunkt unserer Be-fragungen: sie eröffnet dem noch zu konstruierenden Körper Wege seiner eigenen Ge-staltung.

Wir fragen uns: Wie kann der Körper von seinem Leiden sprechen? Welche Sprach-formen sind den Prüfungen, die der Körper durchlaufen musste, angemessen? Wel-chen Veränderungen ist das Leiden ausgesetzt, wenn es in Worte gefasst wird? Wel-che Erzählungen des Körpers überdauern? Welche werden vergessen? Welche sozia-len und politischen Strukturen verbergen sich hinter jenem Vergessen?

Organisation

Leyla Sophie Gleissner (ENS Paris et Université de Vienne) et Flora Löffelmann (Université de Vienne)

Contact

reconstruire.workshop@gmail.com

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