Normes - Normen

Normen regeln weite Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Aufgrund der historischen Bedeutung von Staat und Nation in Frankreich und in den frankophonen Ländern sowie den hiermit verknüpften sprach- und kulturpolitischen Zielsetzungen nehmen die Wirkung und Durchsetzung von Normen, aber auch ihre Subversion in der französischen Gesellschaft und Kultur eine herausragende Stellung ein. Ihre zeitgebundene Entstehung und Durchsetzung, ihre Infragestellung und Ablösung durch neue Normen werden – bezogen auf historische und aktuelle Themen- und Problembereiche – im Rahmen des Frankoromanistentages aus sprachwissenschaftlicher, literaturwissenschaftlicher, kulturwissenschaftlicher und fachdidaktischer Perspektive in den Plenumsveranstaltungen sowie den einzelnen Sektionen analysiert. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive stehen Normen heute wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit, wenn es darum geht, eine Kommunikationslandschaft zu beschreiben, in der traditionelle Normkonzepte auch für Sprache neu zu verhandeln sind. In einer pluralistischen Gesellschaft, wie sie heute maßgeblich die frankophonen Sprachräume und Frankreich selbst prägt, erhält die nicht erst seit heute diskutierte Frage nach einer polyzentristischen Alternative für die traditionelle monozentristische Norm eines geographisch und sozio-kulturell verankerten bon usage als exklusive Orientierungsnorm für das Französische eine nicht mehr zu übersehende Brisanz. Zu diskutieren ist in diesem Kontext die Konzeptualisierung der Begriffe “Sprachnorm” und „Standardsprache“ auf der Grundlage einer Einschätzung der sprachnormativen Situation in Frankreich und in der Frankophonie. Diskussionsbedürfnis gibt es hinsichtlich der aktuellen Relevanz von kaum hinterfragten Diagnosen, die aus der bisherigen Normengeschichte des Französischen abgeleitet wurden, der Auswirkung einer zunehmend in die traditionellen Domänen der Schriftlichkeit eindringenden divergierenden Mündlichkeit oder, damit in Zusammenhang, der medialen Umstrukturierung der heutigen Kommunikationslandschaft. Es ergeben sich daraus mannigfaltige didaktische und kulturell-wissenschaftliche Implikationen. In literatur- und kulturwissenschaftlicher Perspektive stehen zunächst die Themenbereiche der Durchsetzung sowie institutionellen Vermittlung und Verbreitung ästhetischer und kultureller Normen im Zentrum, die seit dem 16./17. Jahrhundert in Frankreich ausgeprägt wurden und durch kulturelle Institutionen wie die Collèges eine normbildende soziale Kraft entwickelt haben. Hierbei sind zum einen Gesichtspunkte wie die literarische Kanonbildung und die ästhetische Inszenierung sprachlicher und moralischer Normen in unterschiedlichen literarischen und Mediengattungen von herausragender Bedeutung. In keiner anderen europäischen Gesellschaft haben, so die US-amerikanische Kulturwissenschaftlerin Priscilla Parkhurst Clark (Literary France. The Making of a Culture, 1987), literarische Modelle und ästhetische Normen seit dem 17. Jahrhundert einen auch nur annähernd großen sozialen und kulturellen Einfluss entwickelt wie in Frankreich. Zum anderen sind seit der Frühen Neuzeit in Frankreich und im frankophonen Raum vielfältige literarische und kulturelle Formen der Infragestellung und Subversion ästhetischer und kultureller Normen, des Bruchs mit Traditionen und des Kanonwandels zu beobachten, etwa im Kontext der Französischen Revolution oder der Ereignisse und Nachwirkungen von Mai 68. Diese betreffen sehr unterschiedliche Problembereiche wie die Infragestellungen poetischer Normen und Regeln in Gattungen wie dem Theater und der Poesie oder die Erweiterung und Transformation des tradierten literarischen und kulturellen Kanons im Hinblick auf neue Gattungen und Medien wie Jugendliteratur, Comics sowie die spezifischen kulturellen Ausdrucksformen des Internet. Die außereuropäischen frankophonen Literaturen und Kulturen haben, vor allem seit den 1960er Jahren, entscheidend dazu beigetragen, normbestimmende Begriffe wie „Kultur“, „Kanon“, „Ästhetik“ und „Identität“ zu hinterfragen und vor dem Hintergrund radikal anderer historischer, sozialer und kultureller Erfahrungshorizonte neu zu denken. Die fachdidaktische Theoriebildung und die Praxis des Fremdsprachenunterrichts unterliegen gleichfalls zahlreichen Normen und Normierungen, so beispielsweise curricularen Vorgaben, "Moden" bei Unterrichtsmethoden oder Lehrwerken und anderen Unterrichtsmaterialien. Auch schul- und bildungspolitische Entscheidungen haben Rückwirkungen auf die Fachdidaktik. Aufzuzählen sind beispielsweise der Fremdsprachenfrühbeginn, d.h. Französischunterricht in der Primarstufe, der bilinguale Sachfachunterricht oder auch die Einführung von Sprachenzertifikaten als Abschlussprüfungen in den Schulen (z.B. DELF-Prüfung in der Realschule) und die Bezugnahme auf den Europäischen Referenzrahmen für Sprachen sowie das europäische Sprachenportfolio. Weitere neuere Diskurse innerhalb der Fremdsprachendidaktik finden sich im Bereich des Konstruktivismus, der Mehrsprachigkeitsdidaktik, der Bezugnahme auf Internet und neue Medien, der Diskussion von Lernerstrategien oder auch der Berücksichtigung von Multiethnizität in den Lerngruppen. Gegenstand dieses Frankoromanistentages sind aus fachdidaktischer Perspektive Fragen danach, inwieweit diese und andere aktuelle Entwicklungen bestimmten Trends und Normen unterliegen, inwieweit sie sich in andere (z.B. erziehungswissenschaftliche, sprachwissenschaftliche, bildungspolitische) Diskurse einfügen. Die Bedeutung von Normen in diesem Zusammenhang, ihr Potenzial einer Förderung und Behinderung innovativen Denkens und Handelns sowie schließlich Querdenken in einem normativen System wie schulischem Fremdsprachenunterricht soll diskutiert werden. Damit schließt der Frankoromanistentag an bereits bestehende Forschungsdiskurse innerhalb der Fremdsprachendidaktik an, die Normen und Normierungen kritisch analysieren und reflektieren. Hierzu hat z.B. die 8. Göttinger Fachtagung "Fremdsprachenausbildung an der Hochschule" zum Thema "Normen und Fremdsprachenunterricht" im März 1999 einen wesentlichen Impuls gegeben. Der dort gewählte Schwerpunkt zu Normen und Lehrwerken fügt sich ein in eine lange fremdsprachendidaktische Diskussion zur normativen Bedeutung von Lehrwerken, ihrer didaktisch-methodischen Gestaltung und ihren Inhalten. Darüber hinaus werden weitere normative Felder, die den Fremdsprachenunterricht bestimmen, abgebildet, so z.B. der Bereich der Sprachnormen, Normtoleranz und Unterrichtssprache, Normen im beruflichen Selbstverständnis von Lehrkräften, Normen im Kontext von Leistungsbewertung oder kulturelle Normen als Gegenstand des Französischunterrichts. Darüber hinaus werden auch Normen im Kontext von Language awareness zum Gegenstand gemacht.

Datum

24.-26. September 2008

Ort

Universität Augsburg
Phil.-Hist. Fakultät
Gebäude D4
Universitätsstraße 10
86135 Augsburg

Kontakt

Universität Augsburg
Philologisch-Historische Fakultät
Universitätsstr. 10
D-86135 Augsburg Prof. Dr. Christiane Fäcke
Lehrstuhl für Didaktik der romanischen Sprachen und Literaturen
Tel.: (0821) 598-2734
Fax: (0821) 598-5739
Email: christiane.faecke@phil.uni-augsburg.de Prof. Dr. Dr. h.c. Henning Krauss
Lehrstuhl für Romanische Literaturwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung des Französischen
Tel: (0821) 598-2724
Fax: (0821)598-2726
Email: henning.krauss@phil.uni-augsburg.de Prof. Dr. Sabine Schwarze
Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft
Tel: (0821) 598-2739
Fax: (0821)598-2738
Email: sabine.schwarze@phil.uni-augsburg.de frankoromanistentag@phil.uni-augsburg.de

Tagungsgebühren

Verbandsmitglieder € 30
Nicht-Mitglieder € 45
Studierende/Arbeitslose/Doktoranten: € 15
Studierende der Universität Augsburg: € 0
Nachmelder ab 15.07.08 €+5
Konferenzdinner Restaurant Goldene Gans € 19
Publié le