Hermeneutiken in der Frühen Neuzeit

Veranstalter des Sommerkurses ist die Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; die Leitung hat Walter Sparn (Erlangen-Nürnberg)

Thema und Programm

Ist das "hermeneutische Zeitalter der Vernunft" (J. Greisch) vorüber? Es scheint so im Blick auf die klassisch moderne Hermeneutik, die sich als "hermeneutische Philosophie" an der Stelle der unerschwinglich gewordenen Metaphysik sehen konnte. Denn ihre grundlegenden Begriffe "Text", "Autor", "Skopus", "Übersetzen", "Interpretieren" und sogar "Verstehen" sind scharfer Kritik im Geist der Postmoderne ausgesetzt worden, methodische Alternativen zu ihr, wie vor allem die Diskursanalyse, traten auf, und sie musste in phänomenologischer oder semiotischer Perspektive auf ihre Grenzen sich hinweisen lassen. Angesichts der äußeren und inneren "Grenzen des Verstehens" (U. Eco) ist es angebracht zu fragen, warum und wie die ursprünglich außerphilosophische Disziplin der Hermeneutik das werden konnte, was sie so stark aber schließlich auch so anfechtbar gemacht hat.Dieser Frage widmet sich der Wolfenbütteler Sommerkurs 2008, indem er eine Genealogie der Hermeneutik in der Frühen Neuzeit rekonstruiert. In der gegenwärtigen, offenen Lage kann es allerdings nicht mehr darum gehen, nochmals einen "Siegeszug" auf dem Weg von bereichsspezifischen Auslegungsregeln für kanonische Texte zur der einen, allgemeinen Hermeneutik im Sinne einer Ersten Philosophie zu feiern. Vielmehr sollen auch solche hermeneutischen Diskurse, die sich einer linearen Entwicklungslogik nicht fügen, sondern quer dazu liegen oder ganz heterogene Strukturen aufweisen, eigens benannt und gewürdigt werden. Der Plural "Hermeneutiken" im Titel ist absichtsvoll gewählt. Es werden nicht nur bekannte Autoren wie M. Luther, Ph. Melanchthon, M. Flacius, J.K. Dannhauer oder J.S. Semler behandelt werden, sondern auch meist übergangene Autoren wie M. Cano, R. Bellarmini, D. Petau, J.J. Rambach, G.F. Meier oder F. Wolf. Aber auch bei den bekannteren Autoren sollen nicht nur zentrale Thesen, sondern ebenso die vielfältigen kritischen und konstruktiven Beziehungen in den Blick genommen werden, in deren Kontext sie jene Thesen ausgearbeitet haben. Das neuzeitliche Werden einer "allgemeinen" Hermeneutik mit der (vorläufigen) Endgestalt bei F. Schleiermacher interessiert vor allem in der inneren Vielfalt der Motive, Theorien und Pragmatiken, zumal angesichts der dekanonisierenden Wirkung historischer Kritik und der rekanonisierenden Absichten "kongenialer" Interpretation. Der Alternativenreichtum der Entwicklung "der" Hermeneutik verdient größere Aufmerksamkeit als ihr bislang zuteil wurde: die philologischen Einsprüche gegen platonisierende Verknüpfungen der Produktion und der interpretierenden Rezeption von Texten, die Besonderheiten der Korrelation von Text und Bild z.B. in der Emblematik, die religiös induzierten Charakteristika etwa der jüdischen Hermeneutik. Schließlich soll ausdrücklich gefragt werden, welche Einsichten das Ensemble der Hermeneutiken zwischen N. von Kues und F. Schleiermacher in unserer Situation hat, in der das Unternehmen einer "Kulturhermeneutik" und einer Theorie der transkulturellen, nicht mehr imperialen Übersetzung von versuchlicher Aktualität ist. Jeweils einen Tag widmet der Sommerkurs einem dieser Aspekte und thematisiert sie sowohl in einführenden Vorlesungen als auch in seminaristischer Text- und Bildarbeit. Folgende Dozenten haben ihre Mitarbeit zugesagt: - Martin Leiner, Jena (Reformatorische Hermeneutik) - Wilhelm Schmidt-Biggemann, Berlin (Tridentinische Hermeneutik) - Stephan Meier-Oeser, Berlin (J.K. Dannhauer im Kontext) - Giuseppe Veltri, Halle/Saale (Jüdische Hermeneutik) - Theodor Verweyen, Freiburg i.B. (Emblematik) - Ulrich Barth, Halle/Saale (pietistische und aufklärerische Hermeneutik) - Christoph Bultmann, Erfurt (G.E, Lessing, J.G. Herder) - Harald Seubert, Erlangen-Nürnberg (Philologen versus Platoniker) - J.H. Adriaanse, Den Haag (Kulturelles Gedächtnis und die "Wut des Verstehens")

Bewerbungen

Der Sommerkurs besteht aus Lehrveranstaltungen, Übungen und Diskussionen; vorgesehen ist die Vorstellung der wissenschaftlichen Arbeiten der einzelnen Teilnehmer. Die Ausschreibung richtet sich an Studierende aus dem In- und Ausland, die ihre Abschluß- oder Doktorarbeiten verfassen. Arbeitssprache ist Deutsch. Die Bibliothek bietet zwanzig Plätze für Teilnehmer und übernimmt deren Kosten für Übernachtung und Frühstück. Formlose Bewerbungen mit Lebenslauf, die Bildungsweg und wissenschaftliche Arbeit beschreiben und von der Empfehlung eines Hochschullehrers begleitet sein sollen, werden bis zum 29. Februar 2008 (möglichst per E-Mail) erbeten an: Dr. Volker Bauer
Herzog August Bibliothek
Postfach 13 64
D-38299 Wolfenbüttel
Fax-Nr.: +49 5331-808 266
forschungBild entfernt.hab.de Ausschreibung (http://www.hab.de/kalender/wissveranst/Sommerkurs08Ausschreibung.pdf)
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